Es war unsere 4. Reise seit 2006, es war die Reise mit dem schlechtesten Wetter, und trotzdem war es eine wunderbare Reise mit den vielfältigsten Begegnungen, Begegnungen mit der alten und neuen Geschichte des Landes, mit den Religionen, mit Natur, Kunst und Technik und vor allem mit den Menschen in Israel, mit alten und neuen Freunden.

Bei den Begegnungen mit der Geschichte belasse ich es bei der Aufzählung. So besuchten wir die Independence Hall in Tel Aviv, in der Ben Gurion 1948 die Unabhängigkeit des Staates Israel verkündete, sind durch Alt- Jaffa und über den malerischen Carmel-Markt gelaufen, wir waren in Caesarea mit dem „Römischen Theater“, dem „Hippodrom“ und dem einst 12 km langen „Aquädukt“. In der Nähe der Kleinstadt Zichron Ya`Akov kamen wir zur Grabstätte Rothschilds in einer schönen Parkanlage, besuchten im Universitätsgelände von Haifa das „Hecht-Museum“ für Archäologie, anschließend – ganz in der Nähe – Bet She`arim mit seinen berühmten Grabanlagen und später – noch am gleichen Tage – „Zippori“ und seine gewaltigen Ausgrabungen mit den riesigen Mosaiken aus der Zeit des frühen 5. Jahrhunderts n.Chr. Auf den Golan-Höhen haben wir die mächtige Festung „Nimrod“, erbaut von Kreuzfahrern zwischen 1130 und 1140 n.Chr., besichtigt, und in Jenin, einer Stadt im palästinensischen Autonomiegebiet, wurden wir mit Israels jüngster Geschichte konfrontiert. Wir durchfuhren das seit 60 Jahren bestehende riesige so genannte Flüchtlingslager, das heute eher wie ein gewachsener Stadtteil Jenins anmutet, und wir konnten uns in der Stadt von der positiven Entwicklung seit der Lockerung der Grenzformalitäten überzeugen. Südlich des Toten Meeres in der Negevwüste hielten wir inne in Sde Boker am Grab David Ben Gurions und seiner Frau Paula und gedachten später in der Nähe von Be`er Sheva der im arabisch-israelischen Krieg 1948 gefallenen Angehörigen der „Palmach-Negev-Brigade“ am „Negev-Memorial“. Dieses wurde zwischen 1963 und 1968 erbaut und ist in Israel auch bekannt als „Andarta“.

Und dann Jerusalem: Obligatorisch der Gang vom Ölberg über den riesigen Friedhof zum Garten Gethsemane. Den Blick auf Felsendom, el-Aqsa-Moschee und Tempelberg hatten wir ständig, von oben und von unten – nur ein Besuch war uns leider verwehrt! Dafür konnte, wer wollte, die „Große West- oder auch Klagemauer“ gleich zweimal besuchen. Nach kurzem Foto-Termin an der berühmten Menora, 4 ½ Meter hoch und seit 1966 an ihrem heutigen Standort gegenüber der aus Sicherheitsgründen fensterlosen Knesset, besichtigten wir den „Obersten Gerichtshof“ Israels. Das moderne Gebäude ist eine Schenkung Dorothy de Rothschilds, wurde 1992 eröffnet und ist durch einen direkten unterirdischen Gang mit der Knesset verbunden.

In der Umgebung zwischen Jerusalem und Jericho, waren wir fasziniert von dem 2009 neu eröffneten archäologischen „Museum des barmherzigen Samariters”.

Abgesehen von hier gefundenen Mosaiken hat man auch die bei Ausgrabungen im gesamten Westbank-Gebiet und aus dem Gaza-Streifen gefundenen Mosaiken in diesem Museum zusammen gebracht und in unglaublich attraktiver Form ausgestellt. Erschütternd der Yad Vashem-Besuch in Jerusalem und im Tal der untergegangenen jüdischen Gemeinden.

Eine Reise nach Israel bedeutet auch immer Begegnung mit den Religionen. Im Kloster „St. Stephan“, ca. 40 km süd-östlich von Tel Aviv, trafen wir den letzten dort noch lebenden italienischen Mönch, den 90jährigen Don Bosco, und gleich nebenan, im Kloster Beit Shemesh haben wir den netten Nonnen selbst gemachte Schokolade oder auch wunderschöne Keramik abgekauft.

Am See Genezareth waren wir in Tabgha in der „Brotvermehrungskirche“, auf dem Berg Beatitutes besuchten wir die „Kirche der Seligpreisungen“, direkt am See die aus schwarzem Basalt erbaute, schlichte „Peterkirche“ und nicht zu vergessen Kapernaum, den Ort in dem Jesus lebte nachdem er seine Heimatstadt Nazareth verlassen musste.

1905 fand man hier bei Ausgrabungen eine aus dem 2 – 4. Jh. stammende Synagoge. Bei den „Hörnern von Hittin“, ein Doppelberg nicht weit von See entfernt, bewunderten wir in der Nähe des arabischen Dorfes Bueira Nujidat das Drusenheiligtum Nebi Shueib. Für Araber und Drusen befindet sich hier das Grab „Yethro“ von Moses Schwiegervater. Jedes Jahr am 25. April findet eine größere Wallfahrt statt.

3 km von Jenin entfernt im nördlichen Westjordanland liegt die palästinensische Stadt Burqin, wo wir die christlich-orthodoxe „St. Georgs -Kirche“ besuchten. Sie gilt als die drittälteste Kirche der Welt und als fünftheiligste Stätte des Christentums. In Burqin soll Jesus Leprakranke geheilt haben. Die Kirche wurde mehrmals restauriert, ist wunderschön und wird noch heute von den 20 in Burqin lebenden christlichen Familien genutzt.

Und in Jerusalem? Für alle alten und neuen Israelbesucher natürlich ein „Muss“: Die „Grabeskirche“, die heiligste Stätte aller sechs christlichen Konfessionsgruppen. An dieser Stelle sollen sich Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung Jesu ereignet haben. Durch den Garten Gethsemane sind wir zur „Kirche der Nationen“ gegangen. Im Jahr 1924 von Antonio Barluzzi im Auftrag von 12 Nationen erbaut, ist sie heute eine Demonstration der Einigkeit. Ganz in der Nähe von Jerusalem, im bezaubernden Dorf Ein Karem, besichtigten wir in der dortigen Synagoge die 12 berühmten Glasfenster von Marc Chagall mit Themen aus dem Jakobs- und dem Mosessegen. Die Synagoge gehört übrigens zum berühmten Hadassah – Klinikum und wurde 1962 erbaut. Ebenfalls in Ein Karem waren wir in der „Franziskaner-Kirche „Sankt Johannes ba-Harim“ in der sich eine Grotte befindet, die traditionell als Geburtsort Johannes des Täufers bezeichnet wird. Die Kirche, im 19. Jh. erbaut, ist fast vollständig mit in Blautönen gehaltenen Kacheln ausgestattet, was ihr einen recht spanischen Charakter verleiht.

An der Straße nach Jericho gab es dann noch die Ruinen des Klosters „St. Euthymius“, erbaut ca. 480 n. Chr., mit einer ca. 25 m tiefen Zisterne zu entdecken, und auf halben Weg zwischen Jerusalem und Jericho konnten wir von den Bergen der Judäischen Wüste auf das „St. Georgs Kloster“ blicken, dass spektakulär an den Felswänden im Wadi Kelt hängt und nur nach mehrstündiger Wanderung „zu Fuß“ zu erreichen ist. Am letzten Tag unserer Reise (27.03.12) besuchten wir noch in dem arabischen Dorf Abu Gosh die Kreuzfahrerkirche, auch „Auferstehungskirche“ genannt. Erbaut wurde sie in der 2. Hälfte des 12 Jh. n.Chr. Nachdem aufwendige Restaurierungsarbeiten abgeschlossen sind, kann man wieder die gut erhaltenen Reste von Monumentalmalerei, die Wichtigsten aus der Kreuzfahrerzeit im „Heiligen Land“, bewundern. Im 15. Jh. wurde neben der Kirche eine Moschee errichtet.

Besonders spannend sind in Israel natürlich immer Begegnungen mit Kunst, Natur und Technik.
Mit der Natur wurden wir gleich am 1. Tag unserer Rundreise (15.03.12) in Ramat Gan im „Safari-Park“, dem größten seiner Art im Mittleren Osten, konfrontiert. Hier leben ca. 1.600 Tiere, insgesamt 223 Tierarten. Auf Einladung der Stadt Ramat Gan wurde unsere Reisegruppe mit einer kleinen Bahn fast 2 Stunden durch den Park gefahren, trotz kaltem und z.Tl. regnerischem Wetter ein großes Erlebnis.

Gleich am nächsten Tag hatten wir dann eine Begegnung der besonderen Art mit der Technik. In Rishion Lezion besichtigen wir das „Igudan-Wasser-Recycling-Center“ – in seiner Art das Größte der Welt. Unglaublich, dass hier die gesamten Abwässer Tel Avivs und mehrerer anderer Städte Israels zusammengebracht und aufbereitet werden, um dann als Trinkwasser an die gleichen Orte zurückzufließen. Auf einer 2-Stunden-Tour durch die riesigen Anlagen wurden uns die einzelnen Recycling-Vorgänge sowohl optisch als auch „gerüchlich“ hautnah und gründlich vermittelt.

Mit der Kunst setzten wir uns dann am 17.03. – einem sonnigen Samstag Nachmittag – in dem Künstlerdorf „Ein Hod“ – zum ersten Mal auf dieser Reise intensiv auseinander. Hier leben ca. 100 Künstlerfamilien, Schriftsteller, Schauspieler, Fotografen, Bildhauer und Maler. Sie alle verkaufen in Galerien und Ateliers ihre Arbeiten. Erschütternd dann die Fahrt durch das Karmelgebirge, wo noch überall die Auswirkungen der verheerenden Waldbrände, die im Dezember 2010 40% der Natur zerstörten und wobei 41 Menschen ums Leben kamen, zu sehen sind.

Drei Tage verbrachten wir im Kibbuz-Hotel Ginosar am See Genezareth, der sich in dieser Zeit leider überwiegend in eine Nebel- bzw. Dunstschicht hüllte. Das beeinträchtigte leider auch unseren Besuch auf dem Berg „Abel“, von dessen Plateau, ca. 400 m über dem Meeresspiegel und 180 m über dem See, man normalerweise einen atemberaubenden Blick auf die Golan Höhen und den See Genezareth hat. Ein Spaziergang auf diesem markanten Felsen war bei strahlendem Sonnenschein aber in jedem Fall eine „lohnende Sache“. Noch mehr „Natur“ gab es dann im Agamon HaHula-Naturschutzgebiet, nördlich des Sees Genezareth, zu bewundern. Dieses, von 120 israelischen Naturreservaten das Älteste, war vor 60 Jahren noch ein gewaltiges Sumpf- und Moorgebiet. Heute leben in den trockengelegten Gebieten Wasserbüffel, afrikanische Raubwelse, Bisamratten und z.B. 340 Vogelsorten. Man geht davon aus, dass hier im Frühjahr und Herbst über 30.000 Kraniche und etwa 700.000 Störche Station machen.

Bevor wir auf die Golan-Höhen fuhren, machten wir noch einen Abstecher nach „Banyas“, einer der 3 Quellflüsse des Jordan. Oberhalb der Quelle liegt das Heiligtum des griechischen Gottes Pan, in Felsen gehauene Grotten. Vor diesen befinden sich die Ruinen eines von Herodes dem Großen erbauten Tempels.

Auf der Fahrt nach Süden legten wir einen Stopp im Gilboa-Gebirge ein, bewunderten bei einem kleinen Spaziergang seltene Blumen und Blüten am Wegesrand und genossen den Blick auf das fruchtbare „Yizre´el Tal – den Brotkorb Israels. Dann waren wir am Toten Meer. Nach der Übernachtung im Kibbuz-Gästehaus Kalya genossen am anderen Morgen viele unserer Reiseteilnehmer das obligatorische Bad im tiefstgelegenen Binnensee der Erde. Immerhin liegt das Tote Meer 410 m unter dem Meeresspiegel, und durch den hohen Salzgehalt von 26% kommt es zu einem einzigartigen „tragenden“ Schwimmerlebnis. Bemerkenswert die sehr gepflegten, sauberen Strandanlagen von „Kalya“.

An der Südspitze des Meeres ganz in der Nähe, wo vor ca. 5.000 Jahren die biblischen Städte Sodom und Gomorrha vermutet werden, die später durch Erdbeben und Erdrutsch zerstört wurden und wo heute das Industriegebiet „Sodom“ liegt, hatten wir eines unserer nachhaltigsten Erlebnisse der Reise. Im Moshav Neot Hakikar besichtigten wir einen riesigen landwirtschaftlichen Betrieb, der von ca.30 Familien geführt wird. Wie ein Wunder gedeihen hier Basilikum, Melonen oder auch Paprika auf salzigem Boden und bei hochgradig salzhaltigem Niederschlag und Grundwasser. Eine einmalige dort erfundene Methode hat das möglich gemacht. Alle Anpflanzungen befinden sich unter unendlich großen Zelten, um den „versalzten Regen“ gar nicht erst an die Pflanzen heran zu lassen. Ich glaube, niemand von uns hatte Ähnliches vorher schon einmal gesehen.

Gleich am nächsten Tag, wir hatten im Hotel direkt am „Ramon-Krater“ übernachtet, starteten wir zu dem nächsten „Großereignis“, eine 5stündige Wüstensafari. Vom Ausgangspunkt Sdeh Boker (Ben Gurions Grab) fuhren wir auf einem großen Geländewagen, auf dem alle 27 Mitreisenden Platz fanden, in das Wadi „Zin“ und erreichten nach abenteuerlicher Fahrt die Oasen Ein Siv und Ein Akev, wo wir jeweils einen kleinen Rundgang machten – übrigens bei herrlichem Wetter – auf dieser Reise nicht unbedingt selbstverständlich. Irgendwo gab es dann ein herrliches Picknick, von unserem Fahrer „Jankerle“ auf das Köstlichste zubereitet. Unglaublich was der alles auf die mitten in der Wüste weiß gedeckte Tafel brachte. Da haben selbst Kochwürstchen – mit dem Gaskocher frisch zubereitet – und deutscher Senf nicht gefehlt, und Kaffee oder Tee gab es natürlich auch. Sicher wieder ein Erlebnis der „besonderen Art“.

Den Schluss habe ich mir für die „Menschlichen Begegnungen“, für das Treffen von Freunden und besonders interessanten Menschen aufgehoben.
Schon am ersten Tag bei Ankunft auf dem Flughafen, empfing uns Naomi (Ehrlich), unsere „14 tägige rund-um-die Uhr“ Reisebegleiterin aus Jerusalem. Von allen geliebt und verehrt, ist sie auf unseren Israel-Reisen gar nicht mehr weg zu denken. Wie sie – auch in den kompliziertesten Situationen – die Ruhe und Übersicht behält, ist schon bemerkenswert. Sie weiß genau was sie will, und das ist auch zu 99% für die Reisegruppe gut und richtig.

Ich denke für alle, aber insbesondere für mich, kam es gleich am 2. Tag zu einem ganz besonderen Höhepunkt der Reise – den Besuch bei dem einzigen Kinder- und Jugend-Mundharmonika-Orchester der Welt in Ramat Gan. Was wir da erlebt haben, hatte in dieser Form keiner erwartet. Empfangen wurden wir vom Orchesterleiter Alex Reiss und seiner Frau Nechama sowie der Lehrerin Elad Shulamit. (Alle drei waren vor einem Jahr mit dem Orchester in Kassel). In einem großen Schulraum hatte man eine Tafel mit vielen leckeren Kleinigkeiten gedeckt – und so durften wir uns erst einmal stärken bevor wir dann in einen noch wesentlich größeren Raum geführt wurden, wo uns über 40 Mädchen und Jungen des Orchesters stehend mit Applaus empfingen. Kurz etwas zur Entstehung des Orchesters: Sein Gründer, Schmuel Gogol, der als Junge das Konzentrationslager Auschwitz überlebte, dadurch dass er im Lagerorchester Mundharmonika spielte, schwor, nachdem er in Israel seine rettende Heimat gefunden hatte, sein Leben der Mundharmonika und der Arbeit mit Kindern zu widmen. Er gründete 1963 in Ramat Gan das erste Kinder-Mundharmonika-Orchester, und seitdem kann jedes Schulkind im Alter von 8 bis 18 Jahren dort das Mundharmonikaspielen erlernen.

Shmuel leitete das Orchester bis zu seinem viel zu frühen Tod 1993.
Seitdem ist bis heute Alex Reiss Leiter des Orchesters und Chef der Musikschule, in der insgesamt 150 Schüler aus den verschiedensten sozialen Schichten Ramat Gan´s unterrichtet werden. Nach einigen kleineren Ansprachen begeisterte uns das Orchester mit seiner flotten und z.Tl. ergreifenden Musik. So spielten die Mädchen und Jungen nicht nur „The Post-Man“, eins meiner Lieblingstücke, sondern u.a. auch ein Werk von Schmuel Gogol, das er seinerzeit in Auschwitz komponiert hatte. Am Schluss des Konzerts überreichte mir Alex Reiss als Zeichen großer Verbundenheit die Mundharmonika, auf der Schmuel Gogol bis zu seinem Tode gespielt hatte – das war der emotionale Höhepunkt unseres Besuchs, und es war mir nicht leicht, danach die entsprechenden Worte des Dankes zu finden.

Noch am gleichen Abend besuchte uns Moshe Meron, früherer Sprecher der Knesset und langjähriger Bürgermeister von Ramat Gan mit seiner Frau Ahuweah im Hotel. Uns verbindet seit Jahren eine enge Freundschaft, und wir konnten beide schon mehrere Male in Kassel begrüßen. Moshe war es auch, der für uns den Besuch im Safari-Park in Ramat Gan organisiert hatte. An diesem Abend gab er uns einen kurzen Überblick über die aktuelle Situation in Israel und erzählte einige kleine Episoden aus seinem Leben. Am nächsten Tag (16.03.) besuchten wir Gadi Sternbach auf seinem kleinen Weingut im Süden von Tel Aviv. Gadi hat „deutsche Wurzeln“ ist aber in Jerusalem geboren. Bei einer Weinprobe berichtete er wie er zum Weinanbau kam und wie er trotz einer sehr kleinen Anbaufläche seine Produktion ständig erhöhen konnte. Leider war es an dem Tag bitter kalt, so dass beim abschließenden Abendessen im von Wind und Regen gepeitschten Großzelt weinselige Stimmung kaum aufkommen mochte. Ironie des Schicksals, gleich am nächsten Tag drehte das Wetter. Die Sonne kam heraus, und so war es dann in den nächsten 8 Tagen angenehm sonnig, ja richtig „israelisch“. (Bis auf Ramon, dem kältesten Ort Israels, da pfiff der Wind trotz reichlich Sonne). Bei Sonnenschein fand dann unser Besuch in Kfar Tikva statt, wo ca. 200 Behinderte von der Jugend bis ins Alter leben. Seit Jahren unterstützt unsere Arbeitsgemeinschaft diese soziale Einrichtung. Auch diesmal überbrachten wir Monika Müller – Shaish, sie ist zuständig für die in Kfar Tikva tätigen, überwiegend deutschen Volontäre, eine Spende von € 1.800,–. Bei einem kurzen Rundgang durch das Dorf konnten wir uns davon überzeugen, wie gut die Spenden, z.B. für den Ausbau von Werkstätten, verwendet werden. Zum Abschluss hatte Monika noch einen kleinen Imbiss vorbereitet. Während der ganzen Zeit wich mein Freund David Landsmann, den ich ein wenig betreue und dessen Großvater in Kassel geboren ist, nicht von meiner Seite. Für David war unser Besuch eine ganz besondere Freude.

Im Kibbuz-Hotel „Ginosar Inn“ trafen wir unseren alten Freund Moshe Ben Yefet mit seiner Tami, der sich gleich für 2 Nächte dort einquartiert hatte, um wenigstens am Abend mit uns zusammen zu sein. Moshe, den viele von uns seit Jahren kennen, ist Maler, war schon oft in Kassel und hatte auch schon eine Ausstellung im Kasseler Rathaus.

Rund um Be`er Sheva gibt es sieben offizielle Townships, wo die israelische Regierung versucht, aus Beduinen Städter zu machen. In Tel Sheva, einem der ersten Townships 1968 entstanden, trafen wir Mariam Abo Rheek, eine Beduinin, die unter der Marke “Desert-Daughter“ Kosmetik herstellt: feinste Öle, Cremes und Seifen aus Minze, Teufelsapfel, Rosmarin, Kampfer, dornige Bibernelle, Schwarznessel, wilde Malve oder auch silberblättriges Heiligenkraut. Kräuter, die sie in der Wüste findet oder die sie zwischenzeitlich in ihrem Kräutergarten anbaut. Für Seife benötigt sie Kamelmilch.

Mariam ist eine unglaublich interessante Frau. In London hat sie Marketing studiert und die englische Sprache erlernt, in Be`er Sheva belegte sie an der Universität zwei Jahre einen Kurs für Heilkunde. Die Muslimin trägt traditionell Kopftuch und ein rot-schwarzes Beduinenkleid. Ihre Produkte verkauft sie in einer umgebauten Garage, die sie mit Tüchern und Teppichen ausgelegt hat. Sie spricht ruhig und in sehr gepflegtem Englisch: „Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie viele Probleme ich habe“. Hinweisschilder, die sie im Ort aufstellt, montieren die Männer ihres Stammes immer wieder ab, nicht weil sie eine erfolgreiche Unternehmerin ist, sondern weil sie sich weigert, zu heiraten. Sie ist 41 und kinderlos, andere Beduinenfrauen haben da schon 8 Kinder. Aber sie ist eine starke, kluge Frau, sie wird nicht aufgeben. Zum Ende unserer Reise dann noch ein ganz besonderes Ereignis, der Besuch bei unseren lieben Freunden Sarah und Joel Dorkam in „ihrem“ Kibbuz Palmach Tsuba in den judäischen Bergen in der Nähe von Jerusalem. Das hätte sich von uns keiner so vorgestellt, ein Kibbuz, der noch in der ursprünglich klassischen Form geführt wird, wo wirklich noch alles von der Gemeinschaft getragen und erwirtschaftet wird. Lediglich zwei Änderungen hat es im Laufe der Jahre gegeben, die Kibbuzangehörigen können heute wahlweise in der Gemeinschaft oder auch zuhause essen, und die Kinder müssen nicht mehr im Kinderhaus schlafen, sondern bleiben am Abend und über Nacht bei ihren Eltern. Voller Stolz führten uns Sarah und Joel durch den gepflegten, schönen Kibbuz, zeigten uns die Wäscherei, in der für alle gewaschen wird, das Kulturhaus, den hübschen Kindergarten und das Archiv, wo Joel seit dem Tag der Gründung von Tsuba handschriftlich Tagebuch über das tägliche Geschehen führt. Im Seniorenclub haben uns die beiden Tee, Kaffee und Kuchen, von Sarah selbst gebacken, serviert und bei der Gelegenheit viel über ihr bewegtes Leben und über die Kibbuzbewegung seit ihrer Entstehung vor 100 Jahren erzählt.

Joel wurde in Kassel geboren. Sein Vater war hier ein bekannter Journalist beim „Kasseler Tageblatt“. Als Joel 3 Jahre alt war, mussten die Eltern mit ihm aus Kassel vor den Nazis flüchten. 10 Jahre waren sie auf der Flucht, bis man endlich ins damalige Palästina gelangte. Fast unverständlich, dass Joel niemals die Liebe zu seiner alten Heimat Kassel verloren hat. Nach dem Krieg hat er deshalb auch die Stadt, die seiner Familie so viel Leid zugefügt hat, mehrmals besucht, und bis heute haben wir ständig engen Kontakt. Nie hatte es bisher geklappt, Sarah und Joel zu besuchen, und so war es allerhöchste Zeit, dies nachzuholen! Entsprechend wehmütig war der Abschied – hoffen wir auf ein Wiedersehen – in Deutschland oder „nächstes Jahr in Jerusalem!“

Wir waren bei kaltem Wetter in Israel angekommen – wir sind auch bei kaltem Wetter wieder abgereist. Pünktlich sind wir mit einer – bis auf den letzten Platz – besetzten EL AL – Maschine in Frankfurt gelandet. Welch eine Ironie, in Deutschland, wo in der ganzen Zeit, in der wir in Israel waren, milde, frühlingshafte Temperaturen geherrscht hatten, war es nun auch wieder bitter kalt!!

Erst langsam kommen die vielen neuen, überwältigenden Eindrücke, die man ein weiteres Mal aus diesem einmaligen Land mitgebracht hat, ins Bewusstsein zurück. Vielleicht kann dieser Bericht für alle direkt Beteiligten dabei ein wenig hilfreich sein.

Manfred Oelsen